Sonntag, 22. März 2015

Aliens sind erfolgreicher


Video der Woche

2010 wurde mit diesem Science Fiction auf eine himmelschreiende Ungerechtigkeit in Amerikas Renten-Regelung aufmerksam gemacht:

Youtube Direktlink

Ein klasse Spot von der amerikanischen NPO Rockforequality, ganz ohne Frage. Während wir Deutschen es schon 2000 geschafft hatten, dieses Rentenproblem im Lebenspartnerschaftsgesetz zugunsten von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu lösen (gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP übrigens), sind die USA in allem, was Sex und Soziales angeht, doch ein Jahrzehnt hintendran.

Das Geheimnis des Erfolges


537.695 Aufrufe...nicht übel. Und hier mal die Statistik dazu:

Gleich vorneweg: Die 500K Zuschauer kommen offensichtlich NICHT alleine durch die Shareworthyness des Clips (kennt jemand ein gutes Deutsches Wort dafür? "Teilenswerter Content"? "Mehrwert"? Ich such schon eine Weile) - sonst hätten wir hier einen kontinuierlich ansteigenden Grafen, wie bei vielen anderen viralen Erfolgen.  Aber seit dem Anfangs-Kick herrscht relative Ruhe.

5 Jahre nach dem Event - einer großen Demo in L.A. - ist es möglich, rückblickend mal genauer den Erfolg zu analysieren, weil es nämlich glücklicherweise drei weitere Videos der Organisation gab, die zeitgleich mit an den Start gingen. Ihre Statistik ist ganz ähnlich. Aber die Perfomance viel schlechter:


Analyse


Zunächst einmal ist die allgemeine Performance natürlich schon vorhersagbar gewesen: 

  • Porträts, egal wie emotional und gut sie sind, erreichen nicht mal 5% des Erfolges einer echten Story mit dramaturgisch sauberem Aufbau. Grund: Talking Heads sind nun mal eine Zwischenebene. Wir sehen nicht die Aktion, die Geschichte selber, sondern wir sehen Menschen, die darüber sprechen, als eine Abstraktionsstufe, wie bei Dokumentarfilmen. Dies zieht sehr viel weniger. In Deutschland gehen etwas 50 mal mehr Zuschauer in Fiction-Filme als in Dokus.
  • Ein direkter Aufruf ohne eigenen Unterhaltungswert schafft sogar nur 1%, nämlich ca. 5.000 Zuschauer (Was in etwa der Facbook-Community von Rockforequality entspricht). Aber der Clip war wohl auch nur als kurzer Verstärker gedacht, und immerhin kostenlos produziert. Das geht mit jedem Handy.
  • Die Länge spielt eine Rolle. Der Unterschied zwischen dem langen und dem kurzen Portrait ist sichtbar, wenn wir uns die Entwicklung bis zum großen Kick ansehen: Aus eigener Kraft erreichte die Langversion gerade mal die Hälfte (ca. 3K) der Zuschauerzahlen von der Kurzversion. Bei gleichem Inhalt. Fazit: Die magische 3-Minuten-Grenze ist zwar nicht in Stein gemeißelt - immerhin ist das Alien-Video 4:18 lang - Aber bei gleicher Machart gilt: "Short is beautiful".
  • Menge ist nicht alles! Wir reden hier nur über nackte Zuschauerzahlen, es kann durchaus sein, dass die wenigen Zuschauer der Langversion des Porträts qualitativ für den Kampangnenzweck die wertvolleren waren. Die Langversion generierte nämlich fast doppelt so viele Kommentare wie die Kurzversion. Das deutet in diese Richtung.

Der magische Kick!


Doch die große Frage ist hier: WAS hat diesen enormen, einmaligen Kick am Anfang bei allen vier Videos ausgelöst?

Antwort: Ein Lottogewinn - oder auch ein Cinderella-Märchen: 



Es liest sich wirklich wie ein Märchen: 
  1. Am Samstag 7. April 2010 wird das Alien-Video als Gewinner des Youtube-DoGooder-Video-Awards vorgestellt - und kommt dort für einige Zeit auch auf deren Startseite. 
  2. Am Sonntag 8. April 2010 ist die große Demo in L.A. die durch alle Zeitungen geht. 
  3. In nur zwei Tagen erreicht das Video also über diese beiden Motoren 350.K Zuschauer, wenige Tage später dann wurde die 500K-Grenze überschritten. Hier ein Zeitungsbericht vom Montag 9.4.2010 - einen Tag nach der Demo: 

"What Kind of Planet Are We On?" ... triumphed in YouTube's 4th Annual DoGooder Awards. The video, which won the Best Innovation in Video category, was featured at the top of the YouTube homepage, where it reached hundreds of thousands with its message about the need to stop discrimination in Social Security benefits. By Sunday afternoon the video, which is featured at www.youtube.com/nonprofitvideoawards, had been viewed more than 350,000 times. (Quelle)
Und JETZT griffen viele Medien, Redaktionen und Blogger das Event auf, und berichteten darüber - mit explizitem Verweis auf das Video - es passt nämlich hervorragend in deren "Video der Woche". Genau das, was Ihr hier erlebt - dass ich es Euch vorstelle, weil ich das Video cool genug für Euch finde - genau das geschah damals auch. Dies ist also nicht die private virale Verbreitung unter Freunden, sondern eine Medien- und Multiplikatoren-basierte.  
Zweiter Pluspunkt: Das Event selber ist ein heißes Eisen und erzeugte Medienrummel - und hiervon profitierten erneut alle Videos. Betrachtet man deren Performance VOR dem Event, so sieht man deutlich den Weitergabe-Drive, den sie ohne diesen Glücksfall des Awards und ohne das Event hatten: Alle haben eine klassische Steigung, auch das Alien-Video, man sieht es ganz klein. Das Aufruf-Video erschien 2 Tage vor dem Event, da ist natürlich wenig zu sehen. 

Fazit No 1: Multiplikatoren begeistern!


Ein Video muss ZUERST den Multiplikatoren gefallen und für sie teilenswert erscheinen, will man wirklich große Zahlen erreichen. Das können Medien, Festivals, Gremien und Blogger allgemein sein - oder auch eine Celebrity. Alle mir bekannten NonProfit-Viral-Erfolge gingen durch die Pressemaschine, ob nun über bezahlte aktive Einreichung dort oder durch irgend einen USP (unique selling point), wie etwa einen Star, eine tolle Geschichte, ein verrücktes Event. Ohne die professionellen Multiplikatoren ist wenig zu holen...und schon gar nicht so schnell. Und bei Zeitungsredakteuren etwa sind Außerirdische wohl offenbar erfolgreicher!

Fazit No 2: Ich glaub nicht an Märchen


Was ich jetzt sage, kann ich in keiner Weise belegen. Aber ich glaub nicht an solche Zufälle wie den Sieg des Videos EINEN TAG vor dem Event im DoGooder-Award. Das war kalkuliert! Das Video wurde ganz bewusst im Hinblick auf die DoGooder Awards produziert und zwar so, dass es beste Chancen hat. Vor allem darum ist es so aufwendig und kreativ als Story gestaltet. Sieht man die Konkurrenz an, so sind alles andere Porträt-Videos. Diese Awards waren damals noch nicht so bekannt, die Einreichungen waren fast alle Porträts und weniger gut gemacht. Ein aufwendiger Story-Spot hatte also beste Chancen, der Termin lag auch einfach zu gut. Auch heute produzieren ja viele Agenturen - tw. kostenlos - NonProfit Spots einzig und allein mit Blick auf einen Sieg bei den begehrten Lions Awards in Cannes.
Alle anderen Videos des DoGooder Awards 2010 sind übrigens bis zu den besagten 350K Zuschauern gekommen, die also auf das Konto der DoGooder-Awards zu gehen scheinen, nicht auf das Event. Der Rest - der Weg bis 500K verdankt sich der Story-Machart und der Verstärkung durch das Event und dessen Medienecho. Wie gesagt...meine persönliche Vermutung, nicht mehr. Hat aber gute Chancen, auch heutzutage zu funktionieren, wenn man es drauf anlegt ;-)

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